DE EN

Start

Warum?

Über mich

Die Höchsten

Gipfel & Grenzen

Von nun an geht's bergauf

Meine Höchsten

Deutschland extrem

Deutschland
ringsherum

Zu den Quellen!

602 Grenzsteine

Vier Grate-Ein Gipfel

Eigener Staat oder Niemandsland?

Wall und Graben

Pfad zur Pfalz

Berge der Bibel

Was als Nächstes?

Schlüsselbegriffe

Links

Impressum/AGB

 

Die Nacht, in der Pik Lenin starb – Es muß kein Siebentausender sein  

Dieses Einleitungskapitel erhält jeder Erstbesteller gratis als Zugabe!

 Auszug:

„Wir hatten uns einigermaßen akklimatisiert und waren frohgemut und mit heftig schweren Rucksäcken auf das vorgeschobene Lager in 4200 Meter Höhe aufgestiegen. Wir hatten auch schon Vorräte auf Lager 1 geschleppt, das in 5200 Meter der eigentliche Ausgangspunkt für die letzten Etappen zum Gipfel hätte werden sollen. Schlau waren wir. Wir hatten Vorräte hoch- und uns selbst wieder heruntergeschleppt: 'Walk high, sleep down'. Die Sonne schien gnadenlos heiß in den Schneekessel zwischen Advanced Base Camp und Lager 1.

Wir hatten uns also wieder ins ABC zurückgezogen, vorübergehend. Um Kräfte aufzutanken. Wir hatten Ruhetag. Wechselten Strümpfe. Rieben uns mit Schnee ab. Aßen kräftig. Tranken unsere täglichen vier Liter Wasser. Packten um. Waren sehr stark. Schauten auf die Aufstiegsspur, die nach oben durch den Schneekessel führte. Konnten es kaum abwarten. Die Sonne schien gnadenlos. Wie jeden Tag.

Am Nachmittag des 12. August fing es zu graupeln an. Graupeln, das war neu. Na ja, das mußte wohl auch ab und zu sein. Wo würde sonst der viele Schnee herkommen, der den Berg bedeckte? Wird wohl nicht umschlagen, das Wetter.

Ein Blitz fuhr in der Ferne nieder, über der Alai-Tau-Kette jenseits des Alaiskaja-Tals. Donner. Gewitter ist normal im Sommer. Geht wieder vorbei.

Es graupelte weiter. Den ganzen Nachmittag lang. Es wurde langsam dämmrig. Es graupelte. Der Abend nahte. Das Graupeln wurde stärker. Atyun, unser russischer Koch, holte die Schneeschaufel aus seinem Zelt und machte zum ersten Mal die Runde, um kleine Verbindungssträßchen zwischen unseren Zelten freizuschaufeln. Wir gingen schlafen. Es graupelte weiter, fing zu schneien an. Wir zogen den Reißverschluß hoch. Morgen wird wieder die Sonne scheinen. Morgen geht´s endgültig hoch zu Lager 1.

In der Nacht wache ich auf, bekomme keine Luft mehr, muß hinaus. Der ganze Zeltausgang ist zugeschneit. Klopfen an die Innenwand des Zelts. Lawinen lösen sich von der Zeltwand. Ich kann den Reißverschluß nur mit Mühe öffnen. Hinaus.

Draußen alles weiß, total schwarz. Taumeln. Weiß der Schnee um mich herum, bis zu den Knien hoch Pulver. Schwarz der Himmel, kein einziger Stern. Und immer das sanfte Geriesel um mich herum, fallender Schnee. Immer weiter fallender Schnee.

Ich krieche wieder in den Schlafsack zurück. Dort ist es warm. Geborgen. Weiterschlafen. Was kümmert mich der Schnee, jetzt wird erst geschlafen. Morgen früh wird´s besser.

Ich muß ein zweites Mal hinaus. Jetzt ist es 4 Uhr morgens. Die Zeltplane am Ausgang ist eingedrückt. Voll Schnee. Ich will den Schnee wegschlagen, von innen. Er geht nicht mehr weg. Ich ziehe den Reißverschluß auf. Alles weiß, bis oben hin. Voll durch den Schneewall am Eingangsloch und raus! Alles weiß draußen, milchigtrüb. Der Morgen naht. Es schneit immer noch. Gehen kann ich nicht mehr richtig. Muß mit dem Bein voraus mir Platz schaffen. Mir tiefe Löcher treten.

Das war´s. Der Rest der Nacht war Warten auf den Morgen. Riesel, riesel. Noch mehr Schnee. Das Zelt biegt sich unter der Last. 7 Uhr und noch immer ist es im Zelt dunkel. Alles voller Schnee. Zugedeckt.

Raus hier. Mit Gewalt wird das Zelt geöffnet. Raus mit Gewalt. Es blendet. Voller Sonnenschein um mich herum, es schneit nicht mehr, blauer Himmel, Sonne, Sonne!
Von den Nachbarzelten ist nicht viel mehr zu sehen, alles unter Schnee versunken. Atyun, der Koch, steht mit der Schaufel am Küchenzelt und gräbt. Grüßt fröhlich herüber. Tiefe Gänge gibt das, von einem Zelt zum anderen. Alles Pulver. Einen Meter hoch.

Wir können nicht gehen, nicht in diesem Schnee. Abwarten. Abwarten, bis sich alles gesetzt hat, es ist ja ganz lockerer Pulver. Abwarten, bis die Lawinen abgegangen sind. Wir begreifen: Das wird vier Tage dauern. Vier Tage erzwungene Ruhe. Wie sieht es dann mit unserem Besteigungsplan aus? Rechnen. Abwägen. Vielleicht noch eine Chance ganz zuletzt. Vielleicht im letzten Moment. Hoffen.

Pik Lenin ade. Die ganze Vorbereitung, das Üben an Eiswänden, die langen Trainingsläufe, die unmenschliche Anstrengung, alles umsonst. So nicht. Kein Siebentausender also. Ich muß mir was Neues einfallen lassen“.


 Weiter zum ersten Kapitel