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Serbien – Midzur       Und Vojvodina – Guduricki Vrh




Topli Do stirbt aus


Auszüge:

"Das in den Jahren 1576/77 erstmals erwähnte Dorf hat sein Aussehen wie vor 100 Jahren beibehalten und ist sicher eines der authentischsten Dörfer im Balkangebirge. Bauernhäuser mit offenen Veranden gruppieren sich um ein Plätzchen in der Mitte. Dort treffe ich auf eine kuriose Versammlung von drei alten Herren und einer Dame auf einer Bank an einer Hauswand. Drei strecken Stöcke von sich, wie als ob sie größere Wanderungen vorhätten. Einer hat keinen Stock, denn er ist blind, da braucht er menschliche Hilfe, keinen Stock. Ich frage die Alten nach dem Weg zum Dom planina Babin Zub – ich wage nicht, nach dem Midzur zu fragen, denn ich kann mir vorstellen, daß sie mit dem Berg nichts anfangen können: Bergbauern steigen nicht auf Berge.

Ich erhalte die erwartete Auskunft: In das linke Seitental muß ich hinein. Aber die Alten wollen auch etwas wissen: 'Woher?' 'Iz Girmanii', versuche ich es auf Russisch. 'Wo in Girmanija?' 'Frankfurt'. Beeindruckte Blicke. 'München!', ruft einer, denn er kann mit 'Frankfurt' nichts anfangen. 'Ah, München!' Der Blick verklärt sich. Darf ich die Gruppe fotografieren? 'Mozhe'. Ja, ich darf."


 

 Einsam - isoliert - autark

 

"Ein Dorfsträßchen führt noch 200 Meter weit aus dem Dorf in Richtung des Seitentals, bis zu einem Brückchen über einen Bach. Hier ist eine Parkmöglichkeit für genau ein Auto. Ich frage einen vorbeikommenden Bauern, der gerade seine Kuh heimtreibt, ob ich hier stehenbleiben kann. 'Dobre'. Gut. Alle seien hier im Dorf 'dobri ludi', gute Leute. Und ob ich nicht lieber mit ihm kommen wolle, da könnte ich in einem richtigen Bett bei ihm zu Hause schlafen. Ich lehne ab, und es tut mir weh dabei, weil es aussieht, als ob ich die Gastfreundschaft der Leute mißachte. Aber nein, ich muß morgen ganz früh aufstehen und weg; da muß ich frei sein.

Und nun sitze ich da, allein, unfähig serbisch zu reden, isoliert, in meinem Auto und warte auf den Abend. Nein, ganz so nicht! Ich beschließe, noch einen kleinen Rundgang durchs Dorf zu machen. Man lebt hier in totaler, friedlicher Abgeschiedenheit von Schafzucht, etwas Feldwirtschaft, Kühen, Holzfällerei. Eine regelmäßige Verkehrsverbindung zur Außenwelt gibt es nicht. Der Abendhimmel ist klar, verspricht gutes Wetter; das gibt mir auch ein Bauer zu verstehen, der seine Schafherde dem heimatlichen Gatter zutreibt. Noch ein paar Bauern kommen vorbei, alle sprechen mich freundlich an, leider verstehe ich nichts. Daß ich nichts verstehe, kann ich ihnen sagen, und es reicht auch immer, um das Woher und Wohin zu klären. Morgen Babin Zub, erkläre ich, dann 'Tag nach morgen' Midzur. Dann zurück nach Topli Do, radebreche ich.

Darauf folgt ein anerkennender Wortschwall. Und dann: 'Sam?' Ob ich alleine bin? 'Da'. Moja dzena domoj, meine Frau zu Hause, bringe ich noch heraus. 'Srbija sloboda!' rufen sie mir zu. Serbien Freiheit! Fordern sie Freiheit oder meinen sie, Serbien bedeute Freiheit? Ein gastliches Dorf, in dem ich mich auch in meinem Alleinsein wohl fühle."



Die bulgarisch - serbische Grenze wird noch ernst genommen

 

"Nun heißt es nur noch die Piste durch den Wald in mehreren Schleifen nach oben abzupilgern. 10 Uhr 45 habe ich die Kammhöhe und zugleich die Baumgrenze erreicht. Oder ist das ein Irrtum? Dort, wo schon alles planiert und gerodet ist, waren da je Bäume gestanden? Jetzt stehen jedenfalls Blechcontainer von Wald- oder Straßenbauarbeitern hier herum. Auf einen hat einer auf deutsch geschrieben: 'Feuer und Flamme für jeden Staat'. Das könnte mein Wahlspruch sein."


 

Gipfel des Midzur oder Midzhor: Gedenktafel für den Erstbesteiger im Juli 1890, den Botaniker Lujo W. Adamowitsch

 

Ljudi misle: Zbogom tschrkwi ! – Die Leute denken: Auf Wiedersehen Kirche !

 

Eines von Millionen


https://www.youtube.com/watch?v=YZurneaCAiI


 

 

Auch das ist Serbien: Slobodan Miloschevitschs Haus, heute eine Kultstätte

 

"Noch in der Toreinfahrt habe ich in einer Ecke unter Posters, die an die Wand geheftet sind, eine dünne Kerze anzuzünden und in ein Sandbett zu stellen. Eine heilige Handlung, wie in der Kirche. Eine Kerze steht da schon im Sand des improvisierten Altars und brennt vor sich hin. Der Gärtner hilft mit respektgebietender Miene meiner Verständnislosigkeit nach: 50 Dinar habe ich zu zahlen. Nachdem ich den Fotoapparat auf Aufforderung weggesteckt und versprochen habe, leise und andächtig zu sein, schreitet der Gärtner mir voran, immer seinen Gartenschlauch hinter sich herziehend, mit dem er eigentlich irgend etwas gießen wollte. Um ein eher unscheinbares Haus herum breitet sich ein gepflegter Garten aus, Birnbäume und tropfnasser Flieder säumen einen schmalen, mit Steinen ausgelegten Weg. Das Haus macht einen unbewohnten Eindruck; Namensschilder sind keine zu sehen. Dann stehen wir an einem einfachen Grab, mit Blumen geschmückt, die letzte Ruhestätte jenes Mannes, den viele als Despoten und manche als Widerstandskämpfer gegen den Vormarsch der NATO sehen. 'Slobodan Miloschewitsch 20. 08. 1941 – 11. 03. 2006' steht in goldgefaßter Schrift auf der Granitplatte zu lesen; daneben für seine Frau: 'Mira Markovic. 1942 – ...'. Das Sterbedatum ist offengelassen; noch ist die Gattin am Leben, im Exil in Moskau. Ich verharre in gespielter Andacht. Zum Schluß begleitet mich der Gärtner nach draußen, rollt seinen Schlauch wieder aus und entläßt mich ins postkommunistische Serbien."


 
"Jenseits der Schneise setzt sich kein Pfad parallel zur Save fort. Ich vermute also, daß ich die kroatische Grenze erreicht habe. Beschließe, ohne greifbares Ergebnis umzukehren. Gerade pilgere ich wieder den Waldweg zurück, als mir querfeldein ein Lada Niva entgegenkommt. Policija!

Die Ereignisse überschlagen sich. Zwei Polizisten Besatzung. Martialisch dreinschauende Typen, gut trainiert. Fahrer und ein bullig kahlgeschorener, stämmiger Kamerad, mit dem ich mich besser nicht anlege. Sogleich zeigt er mir die Handschellen und klimpert ein bißchen mit ihnen herum. Kurzes Verhör, dann werde ich zum Einsteigen in den Lada genötigt. Man fährt mich zu meinem Auto an dem einsamen Bauernhof zurück. Welch Service! Dort steht schon ein dritter Polizist Wache, um mich abzufangen, und nun beginnt das Kreuzverhör: Wer? Woher? Alle Daten aus dem Paß werden abgeschrieben. Was? Wozu? Hobby? Stirnrunzeln. Ich zeige alle meine Fotos auf der Kamera, um Spionage-Bedenken zu zerstreuen, führe meinen Dokumentationsordner vor, zeige, daß ich mich auch für andere Dreiländerpunkte interessiere. Meine Stempel im Paß sprechen dieselbe Sprache: Ich bin mehrfach ein- und ausgereist, war in jedem Balkanland. Das russische Visum macht Eindruck. Man telefoniert mit der vorgesetzten Dienststelle: 'Da ist einer, der behauptet, er interessiert sich für den TromeÄ‘a. Sagt, das sei sein Hobby.' Was die Dienststelle sagt, kann ich nicht hören. Vermutlich: 'Laß ihn laufen'. Denn plötzlich ist alles in Ordnung und man gibt mir wieder meinen Paß.
"

Guduricki Vrh

 

Die Vojvodina bringt es auf 641 m.

 

"Der jetzt folgende Pfad ist der anstrengendste Teil: so steil, daß ich manchmal nur auf Zehenspitzen vorankomme. Der Pfad windet sich in Serpentinen zwischen den Bäumen nach oben, einem Horizont entgegen, der zwischen den Stämmen nach oben schauend nur zu ahnen ist. Keuchend erreiche ich fast auf der Höhe des Bergkamms einen ordentlichen Querweg, dem ich jetzt sanft ansteigend nach links folge. Auf diesem angenehmeren Wegstück – leider nur etwa 300 Meter – übernimmt eine blau-weiß-blaue Markierung die Führung, doch bevor auch dieser Weg anfängt, sich wieder zu senken, zweigt wieder nach rechts oben ein unscheinbarer Pfad ab, nicht mehr ganz so steil wie vorhin, aber wieder rot-weiß-rot wie gewohnt markiert. Der Gipfel kann nicht mehr weit sein, schon rauscht der Wind zwischen den Stämmen und ich blicke in das Weiß des Himmels vor mir. Ein kleines Metallschildchen am Stamm einer Ulme bestätigt: Guduricki Vrh.

Da tritt der Pfad plötzlich auf eine 20 mal 20 Meter große Lichtung hinaus, bestanden mit zwei Bänken, einem Betonquader und einem Pfahl mit einem hölzernen Kästchen wie einem Vogelhäuschen: der Gipfel."


https://www.youtube.com/watch?v=1bfPoYmlYG0


"Zeit für ein ausgiebiges Mittagessen; der Parkplatz vor Mesic eignet sich ausgezeichnet dazu. Aber woher Wasser nehmen? Bei der Ausfahrt aus Mesic stoße ich auf die Lösung: die Firma Moja Voda, 'mein Wasser'. Die Firma füllt hier simples Quellwasser in Flaschen und hat auch einen Brunnen vor dem Firmentor installiert. Kaum habe ich meine zehn Liter abgefüllt, kommt auch schon ein junger Spund angerannt und will, daß ich dafür zahle: 40 Dinar, einen halben Euro. Ich frage ihn, was an seinem Wasser so besonders sei. 'Es ist gutes Wasser'. Seine Firma, die sich sehr neumodisch darstellt, wirbt mit 'Prirodna slabomineralna voda' – natürlichem schwach mineralisiertem Wasser. Ich frage mich, was daran gut sei.

Später, als ich noch einmal am Stadtrand von Vrsac Halt mache und in den Rückspiegel schaue, sehe ich einen Fahrrad-Fahrer angestrengt den Berg hochstrampeln. Näher und näher kommt er – na, er wird doch wohl seitlich an mir vorbei? Da knallt es schon. Beim Aufprall auf meine hintere Autoklappe hat er sich eine blutige Nase geholt. Ich muß ihm Toilettenpapier reichen, damit er sich – ganz  perplex – die Nase abwischen kann. Dazu unterbricht das Radio sein laufendes rumänischsprachiges Programm, um etwas Passendes zu senden: 'Wenn ich sonntags morjens zum Frühschoppe jonn, fröhlich an der Theke stonn, dann tu ich dat für dich mein Schatz, dann haste in der Küch mehr Platz.' Ein Pirol flötet aus der Pappelreihe im nahen Talgrund. Totale Sinnlosigkeit am Guduricki vrh."

 

 

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