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Eis soweit das Auge reicht: Spitzbergen – Newtontoppen und Perriertoppen


Autonomes Gebiet unter norwegischer Hoheit mit russischen Einsprengseln






Aufstieg zum Perriertoppen


Das ist Svalbard: http://www.youtube.com/watch?v=C_LqLE9yFws
 

Auszüge:


"Ab 9 Uhr sind wir wieder unterwegs, denn heute steht uns eine lange Etappe bevor. Etwa drei Stunden lang beschreiben wir einen Viertelkreis südlich, südwestlich und schließlich westlich um den Newtontoppen herum, immer gemächlich auf dem oberen Kvitbreen ansteigend, und schwenken dann auf der Paßhöhe, dem fast 1200 Meter hohen Trebrepasset, auf Nordrichtung ein. Dort legen wir auch unsere Mittagspause ein, im Windschatten einer hastig aus Schneeblöcken zusammengesetzten Mauer, umgeben von kleinen, schroffen Bergen und Hügeln mit Schneekappen.

Dann geht es wieder genauso sanft bergab über den Veteranen-Gletscher, nie mit solchem Gefälle, daß ein zügiges Gleiten oder gar Fahren möglich wäre, aber doch angenehm anstrengungsfrei. Wir legen in trübem Sonnenschein hinter Schleierwolken Kilometer um Kilometer zurück, die Langeweile will mich schier überkommen, wenn ich immer hinter Hugh einhertrotte, ihn als Lokomotive mißbrauchend, seine Schlittenspur benutzend und gelegentlich auf meinen fahlen Schatten im Schnee starrend. Doch dann: Eisbären-Spuren im Schnee! Sogleich sind wir hellwach in der Realität zurück. Wir marschieren eine Weile lang parallel zu den Fußstapfen des Untiers, bekommen ihn selbst aber nicht zu sehen. Wir wissen: Wir bewegen uns im Kampfgebiet, jeder gegen jeden, Eisbär gegen Mensch.

18 Kilometer spulen wir so stupide ab, wir Veteranen auf dem 'Veteranen', und das bei nur kurzen, etwas stressigen Pausen, bis unsere Führer es gut sein lassen für heute. 17 Uhr ist es, als wir vor der Einmündung eines von links, Westen, herkommenden Seitengletschers in etwa 950 Meter Höhe unsere Zelte aufschlagen. Meine Blasen haben sich hübsch ausgewachsen und brennen unter den verschwitzten Fußsohlen. Heute hilft nur noch essen, das Gefriergetrocknete in der Tüte mit Nudeln strecken, trinken und sofort schlafen gehen. Ich bin ziemlich 'geschafft."








„Der Wind soll uns heute den ganzen Tag über ins Gesicht wehen. 15 Kilometer werden es bis zur Zunge des Mittag-Lefflerbreen, also keine Zeit zu verlieren. 'Five minutes, then we are ready to go', drängt Sveinung, und, kurz danach ziehen wir die Schlitten an. 'Have a nice day'. Startschuß zu acht Stunden Wanderung, ohne Abwechslung einerseits, immer geradeaus, immer auf dem flachen, schneebedeckten Fjordeis – nice day? –, mit ständig wechselnder Seitenkulisse andererseits. Bergketten begleiten uns, Seitentäler brechen durch die Ketten und schicken ihre Gletscher dem zentralen Austfjorden entgegen. Während uns der Wind beim Ziehen der Schlitten zu schaffen macht, habe ich ständig das Gefühl, ich würde leicht aufwärts schreiten, anscheinend eine optische Täuschung. Monotones Dahinschlurfen zu brennenden Füßen, wie immer ein Lied im Sinn oder das eigene Leben rekapitulierend. Meditation nennt das Sigmund. Heute sind es die Songs des südafrikanischen Musicals Ipi-Tombi, die mir einfallen und mich den ganzen Tag über nicht loslassen. Es ist erstaunlich, welcher Blödsinn mir beim Meditieren einfällt, wenn die Luft so rein und müde machend wie heute ist, wenn so gar nichts mehr im Kopf ist außer Keuchen und Gleichschritt, wenn es nichts Richtiges mehr zu denken gibt. Von Tanzstunde anno dazumal bis zu unaufgearbeiteten Konflikten, privat und geschäftlich, alles ist dabei. Es lenkt herrlich ab, und nichts davon kommt zu einem Ende – es macht einen seltsamen Spaß, beim Voranschreiten ohne Ergebnis in Geschichten der eigenen Geschichte zu suhlen“.






„Und wieder ist Zeit zum Nachdenken. Ich liebe das Alleinsein auf Reisen – es erlaubt mir mich zu konzentrieren und mich zu versenken in das, was ich sehe und was ich sehen will. Denn mein Reisen ist selektiv. Ich halte mich lange an Stellen auf, die meine Aufmerksamkeit erregen, und an denen jede Reisegruppe achtlos vorbeiziehen würde. Ich muß daher, um richtig reisen zu können, allein sein. Aber muß ich deswegen auch einsam sein? Worin besteht sie eigentlich, die Einsamkeit? Es kann nicht einfach die Abwesenheit der anderen sein. Man kann allein sein und überhaupt nicht einsam, was also ist es?

Mitten im Trubel können wir einsam sein. Es geht nicht nur darum, daß andere da sind, die den Raum um uns ausfüllen. Wenn ich Fremdkörper inmitten einer Gesellschaft alter Bekannter bin, die munter miteinander plaudern und mich nicht beachten, dann bin ich einsam; das ist noch gut verständlich. Einsamkeit durch Ächtung. Doch auch wenn sie mich feiern oder in einem freundschaftlichen Gespräch sich mir zuwenden, selbst dann kann es sein, daß ich mich einsam fühle. Einsamkeit durch aufgezwungene Unfreiheit. Dann möchte ich ihnen zurufen: 'Ich brauche das alles nicht, ich genüge mir selbst; ich möchte nicht Sklave anderer sein'. Einsamkeit ist also nicht etwas, das mit der Anwesenheit der anderen zu tun hat, und auch nicht mit dem, was sie tun. Womit dann? Womit dann, um alles in der Welt?

Ich ertappe mich auf Gruppenreisen, daß ich genau das tue, was ich so wenig schätze, wenn es mir angetan wird: Ich dränge mich anderen auf, tue wichtig, möchte beachtet werden, ja womöglich bewundert. Und wenn ich's dann werde, wenn eigentlich alles so eintrifft, wie ich es gern hätte, dann mache ich eine provokante Bemerkung, stoße die anderen vor den Kopf – und fliehe in meine Einsamkeit zurück. Ich bin mir selbst Gesellschaft genug. Ich will nicht, daß irgend jemand irgend etwas von mir erwartet. Warum, zum Teufel, muß ich mich abgrenzen und warum fällt es mir so schwer? Da sind sie wieder, die Grenzen und das Grenzenlose: Nicht nur im Gelände, sondern auch in den Landschaften meiner Seele.

Wird alles, was ich tue, aus Angst vor Einsamkeit getan? Verzichte ich deswegen auf all die Dinge, die mir begegnen, ich sie aber nicht aufgreife, weil ich Angst habe, ich würde sie am Ende des Lebens bereuen? Sage ich deshalb so wenig, was ich denke? Weshalb sonst halte ich an all diesen maroden, verlogenen Freundschaften, langweiligen Geburtstagsessen fest? Was geschähe, wenn ich all das aufkündigte, der schleichenden Erpressung ein Ende setzte und zu mir selbst stünde? Wenn ich meine geknechteten Wünsche und die Wut über ihre Versklavung hochschießen ließe wie eine Fontäne? Denn die befürchtete Einsamkeit – worin besteht sie eigentlich? In der Stille ausbleibender Vorhaltungen? In der fehlenden Notwendigkeit, mit angehaltenem Atem über das Minenfeld ehelicher Lügen und freundschaftlicher Halbwahrheiten zu schleichen? In der Freiheit, beim Essen niemandem gegenüber zu haben? In der Fülle der Zeit, die sich auftut, wenn das Trommelfeuer der Termine und Telefonate verstummt ist?

Ist Einsamkeit nicht also ein wundervolles Ding? Ein paradiesischer Zustand? Weshalb also die Furcht davor? Ist es am Ende nur eine Furcht, die darin besteht, daß ich ihren Gegenstand nicht durchdacht habe? Eine Furcht, die mir von gedankenlosen Mitmenschen eingeredet worden ist?

Ich liebe also nicht nur allein zu sein, sondern auch die Einsamkeit. Ich liebe die Einsamkeit eines plötzlich über mich herfallenden Glücks auf Gipfeln zu spüren. Wie mich die Welle packt und umwirft. Wie mir die Tränen in die Augen schießen. Da bin ich nicht nur allein, da bin ich so recht nach Herzenslust einsam. Ich liebe es zu spüren, wie mich andere beneiden, wenn sie sehen, wie groß meine Freiheit geworden ist. Ich liebe es zu spüren, wenn sie daraufhin meine Gesellschaft suchen. Ich liebe es, ihnen diesen Gefallen nicht zu tun. Ich will einsam sein und bleiben und brauche doch dazu die anderen“.





Am Austfjorden
 
 

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