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Fast unerreichbar: Tristan da Cunha – Queen Mary's Peak


"Was will ich da? Bergsteigen. Warum aber ausgerechnet auf einem solch abgelegenen Eiland? Nun, ich hatte mir ja selbst versprochen, daß ich immer dann, wenn eine Kolonie einen höheren Berg als das jeweilige Mutterland aufweist, diesen auch einsammeln wollte. Tristan ist britisch. Peinlich aber: Der Queen Mary’s Peak auf Tristan ist zwar wesentlich höher als der Ben Nevis von Schottland, aber der höchste Punkt des verbliebenen britischen Weltreichs ist er nicht. Es gibt einen noch höheren: den Mount Paget auf Südgeorgien. Das ist noch weiter südlich, am Rande der Antarktis. Dort habe ich versucht hinzukommen; das wäre noch gegangen, aber hinkommen und hochkommen war zuviel – wie beschrieben im Kapitel 78. Da gebe ich mich eben mit dem höchsten Punkt des Eilandes zufrieden, das am weitesten von allen anderen ständig bewohnten Stellen dieser Erde entfernt ist, unzugänglicher wie sonst kaum eine Insel dieser Welt, weiter abliegend als Pitcairn oder die Osterinsel. Gleichsam wie der Nabel der Welt ragt Tristans Vulkan aus dem endlosen Meer. Wie eine Nabe, um die sich das Rad der Welt dreht. Der eigentliche Pol dieser Erde. Der höchste Berg des bewohnten Teils des britischen Weltreichs."


 

Auszüge:




Tagesanbruch über dem Südatlantik.
Sechs Mal geht die Sonne auf ...





... und sechs Mal geht sie unter, bevor ...





... Tristan endlich aus dem Dunkel des siebten Morgens auftaucht.



"Was weiß ich im Jahre 2000 von Tristan da Cunha? Nun, ich kann mir denken, es handelt sich um keine tropische Insel. Mehr weiß ich nicht. Alles weitere muß ich mir zusammensuchen. Ein bißchen im Internet forschen. Und schon lernte ich: hinfliegen geht nicht. Nur ein Mal im Jahr fährt das britische Postschiff 'R.M.S. Saint Helena' die Route in den Südatlantik; die Reise dauert netto zwei Monate und wird künstlich verlängert durch verschiedene Pendelpassagen zwischen Kapstadt, dem namibischen Walvis Bay und der Insel St. Helena. Nur ein Mal im Jahr wird der Umweg über Tristan da Cunha nach Kapstadt genommen, und wenn das Wetter schlecht ist und die Wellen hochgehen, kann es vielleicht gar nicht dort landen und fährt einfach weiter. Mitfahren kann man zwar, aber ob man je Tristan erreichen wird, bleibt unklar bis zur letzten Minute. Außerdem darf man nur kurz an Land; ich will aber dort bergsteigen.

Ein 2060 Meter hoher Vulkan beherrscht die kreisrunde Insel. Man schätzt, daß er vor drei Millionen Jahren aus dem Meer zu seiner heutigen Höhe und Form eines regelmäßigen Konus auf einer Unterlagscheibe aufgestiegen ist. Eigentlich ist er allein der Grund dafür, daß es die Insel überhaupt gibt. Tristan ist der Queen Mary’s Peak. Nur eine kleine Siedlung, Edinburgh-of-the-Seven-Seas geheißen, klammert sich zwischen die ins Meer stürzenden Hänge und dem Meer; dort ist ein fünf Kilometer langer Streifen flaches, bebaubares Land ausgespart, die einzige bewohnbare Stelle."

 


Tristan da Cunha: https://www.youtube.com/watch?v=rQwLBQ3hMCk

https://www.youtube.com/watch?v=rpPesVPfWlk

https://www.youtube.com/watch?v=LLsojZHctBo




 Die Sonne muß die Wolken am Big Point erst noch vertreiben ...

... und baut in der Zwischenzeit noch einen Regenbogen auf.

 

 Der Lavastrom des Ausbruchs vom Oktober 1961

Edinburgh-on-the-Seven-Seas in der Morgensonne

 


 Steil aus dem Meer aufragend die Flanke des Peak an der Nordwestküste

 

"Was wollte ich also dort? Die Anziehung, die Tristan auf mich ausübt, hat schon fast etwas Religiöses an sich. Daß hier ein Berg für mich mitten aus dem Meer emporsteigt, archaisch und gewaltig, ein unverrückbares Aufragen im Fluß der Welt, das ist mehr als eine normale Insel sonst bietet. Dadurch, daß sie auch ein schmales Ufer und eine, wenn auch schwer, zugängliche Küste bereithält, scheint sie zu versprechen, daß ich daran teilhaben kann, für ein Bruchstück meiner Lebenszeit."

Aus dem Schiff aussteigen ins Schlauchboot – eine heikle Aktion

 

"Tristan wurde zu meinem virtuellen Lebensmittelpunkt. Morgens wachte ich auf mit meinem ungelösten Problem, abends ging ich mit ihm schlafen. Die Insel als Allegorie dessen, was Welt ist. Hier war sie, auf der Landkarte, da zwischen Südamerika und Südafrika, rund 2600 Kilometer vom Kap Frio und 2400 Kilometer vom Kap der Guten Hoffnung, die Insel Tristan da Cunha. Ein vereinzelter Punkt, nicht größer als Fliegendreck, darüber St. Helena, womit ich seit meinem Geschichtsunterricht in der Schule wenigstens Napoleon verbinden konnte. Aber schon allein der Name hatte eine bestimmte Magie."

Das Grab des Urvaters

 

Von der "Base" aus 680 Meter Höhe

 

"Tristan da Cunha! Liegt sein Reiz etwa darin, daß ich mich im Unterbewußtsein daran erinnere, wie ich als kleiner Knirps im Büro meines Vaters vor einer Wand-Weltkarte stand, auf Zehenspitzen, so daß meine Augen gerade bis zu den unermeßlichen Wassern der Südhalbkugel reichte, noch verzerrt dadurch, daß die Längengrade parallel gezeichnet waren? Da hatte ich den Punkt mitten im Blau zwischen Südamerika, der Antarktis und Afrika entdeckt – das war vor über fünfzig Jahren. Über fünfzig Jahre, bis ich die Insel meiner Sehnsucht, rational unterdrückt durch die langen Jahre des sogenannten Erwachsenseins, plötzlich wiederentdeckt
und in meine Zielliste aufgenommen habe – auch wenn ihr Berg nicht der Höchste des britischen Kolonialrests ist: Er ist auf jeden Fall der schönste.

Die Insel eine Allegorie für die Glückseligkeit, die auf ihrer Spitze, hoch im Himmel, wie im Wahn über mich kam, eine Allegorie gleichermaßen für den Tod, der sich die wenigen Menschen an ihren Gestaden hält, um sie gelegentlich wie wehrlose Spielzeuge zu mißbrauchen; ein Symbol für das Wasser, das sie umgibt, für die Luft, deren Winden sie sich aussetzt; ein Symbol für das Feuer der Sonne, das ihre Zeit bestimmt; schließlich für die Erde, die aus ihrem Schoß mit jedem Ausbruch des Vulkans neu geboren wird. Fast unerreichbar mitten im Ozean. Rückzugsgebiet für die Suche nach den Ursprüngen, dem eigenen Ich – wie Tristan in dem Gedicht des französischen Trouvere Thomas von etwa 1160, deutsch umgeschrieben von Eilhart von Oberge 1190 und von Gottfried von Straßburg 1210 für sein Epos 'Tristan und Isolde' verwendet – wie Tristan, der von Richard Wagner 1857 in ein Boot ohne Segel gesetzt wird, ausgesetzt, ein Spielball der Wellen, unerlöst, bis er an der Küste Irlands seiner Isolde ansichtig wird."

 

Albatros vor dem Peak

 

Am Kraterrand

 

"Vor uns am Horizont steht als Orientierungspunkt der Church Rock – ein Vorgipfel oder vielmehr eine Schulter, 1981 Meter hoch. Um 11 Uhr 10 ist wieder eine Messung fällig: Jetzt sind wir 1415 Meter hoch, bei 37 Grad 5,834 Minuten West, 12 Grad 17,686 Minuten West. Das Steigen wird beschwerlicher, doch das Ziel vor Augen rückt beständig näher. Gleichzeitig verstärken sich die Schleierwolken, und die ersten Nebelschwaden kriechen den Hang hinter uns hoch, ohne aber die Sicht in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. Wir haben den Kamm gewählt, der in direkter Fallinie auf den Church Rock zuzieht. Bizarr geformte Eiszapfen stehen quer von den Felsen ab, zeigen die Vorzugswindrichtung aus Nordosten an, dazwischen leuchtet smaragdgrünes Moos in feuchten Senken. Bald wandern wir auf einer splitternd-knirschenden Eisunterlage, die das Steigen erleichtert, denn die brechenden Eissplitter bieten Halt im schlüpfrigen Schlacken- und Bimsmaterial. Jetzt ist nur noch gefrorene Asche unter unseren Füßen; da geht es sich wieder leichter. Wir stehen auf 1758 Meter, 37 Grad 6,180 Minuten Süd, 12 Grad 17,537 Minuten West. Es ist 12 Uhr 20."

 

Auf dem höchsten Punkt des bewohnten britischen Terrotoriums präsentieren wir die Flagge Tristans.

 

Im Krater

 

Seit jeher gibt es Unglücke auf Tristan da Cunha.


 

Bei Stoltenhoff Island

 

Tristan versinkt im Feuer des Abendrots.


"Schon entschwindet Inaccessible wieder, als wir seine Nordwestspitze passieren, und versteckt sich unter einem Turban von Zirrhuswolke ... Es wird Abend, und langsam schwindet das helle Tageslicht und macht einem rötlichen Dämmer Platz. Je tiefer die Sonne fällt, desto klarer scheint sie unter den Wolken durch und taucht alles in ein Blutbad, eine Farbenorgie, wie ich sie noch selten gesehen habe. Tristan voraus, eingehüllt in einen rundum geworfenen Wolkenschal, seine Konturen durch die rot beschienenen Wolken zu ahnen, hinter uns der versinkende Feuerball. Über allem flattert und knattert die Tristan-Flagge im Fahrtwind. Und plötzlich dazu noch ein steiler Regenbogen, pfeilgerade in den Himmel stoßend …

Tristan ho!"

 

 

Langusten – Crayfish – der Reichtum Tristan da Cunhas

 

Der Fang wird heimgebracht.

 

"Ein jedes ein Erlebnis für sich, ein jedes ein Teil des Abschieds. Für eine kurze Zeit bin ich in das Inselleben eingetaucht und bin doch nicht Teil davon geworden. Habe die unkomplizierte Gastfreundschaft meiner Vermieter genossen. Habe die Zeit ohne Telefon geschätzt; habe stattdessen die papiernen Aushänge Im Supermarkt und in der Vorhalle des Verwaltergebäudes studiert. Habe der Kuh zugenickt, wenn sie ihren Kopf zur Tür des Internet-Cafés hereinsteckte und den versammelten Internet-Süchtigen beim Tippen zuschaute.

Habe erstaunt eine wohlgeordnete Gesellschaft erlebt, die nach ihren eigenen Regeln lebt, weit entfernt von Anarchie. Habe erlebt, daß diese Regeln von niemand in Frage gestellt werden. Habe die Gefahren kennengelernt, deren diese Gesellschaft ausgesetzt ist, von der nachlassenden Geburtenrate bis zum Einzug von unpassendem Luxus.

Danke sagen und einfach abfahren wird schwer. Es war ein bittersüßer Augenblick draußen auf der Wiese vor der Schule, als der Hubschrauber knatternd landete und uns partieweise abholte. Nie werden sich unsere Wege noch einmal kreuzen. Zurück bleibt nur die Hoffnung, daß diese Insel und ihre einzigartige Kultur erhalten bleibt."

 

 

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